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Ein schauderhafter Abend

EPISODE 7 überarbeitet (2018)

Vor zwei Tagen wurde nicht nur die Reformation, sondern auch der Tag vor Allerheiligen gefeiert. Und obwohl ich offen für jede Art Grusel bin, ist mir Halloween einer der unbeliebtesten „Feiertage“. Mir missfällt nicht nur, dass harmlose Panzerbeeren ausgehöhlt und verunstaltet werden, auch die Tatsache, dass dieser Tag in den letzten Jahren nicht ansatzweise unheimlich war, stört mich. Im Folgenden lest ihr, wie der diesjährige Halloweenabend hätte ablaufen können. Ein Großteil der Anekdote basiert auf wahren Begebenheiten.

Der 31. Oktober: Tag des Grauens, der Untoten und solcher, die es werden wollen. Langsam wurde der Tag zum Abend. Die Sonne sank stetig, bis sie letztlich rot glühend hinter kahlen Bäumen verschwand. Kalt war es draußen nicht - bedauerlicherweise. Das hieß, ich musste mich auch dieses Jahr auf maskierte Kinder, die Süßigkeiten erbetteln wollten, einstellen.

Schon nach kurzer Zeit klingelte es zum ersten Mal. Vor dem Haus standen Vampire, Hexen und ein Skelett, wessen hautenges Kostüm gepaart mit seiner Figur so unästhetisch aussah, dass ich beinahe schmunzeln musste. Die Kinder riefen im asynchronen Chor: „Süßes oder Saures“. Eine ziemlich zweifelhafte Forderung, wie ich fand. Ich antwortete: „Süßes“, steckte jedem ein Tütchen Kaffeezucker in die Tasche und schloss die Tür. Verwirrt und verstört blieben die Kinder noch einige Minuten stehen, bis sie sich ihr nächstes Opfer suchten.

Man könnte sagen, dass das unfair gewesen war. Allerdings müssen diese Kinder lernen, auch mit Enttäuschungen umgehen zu können. Und das, ohne gleich organische Lebensmittel gegen die Fenster zu werfen oder den Briefkasten mit allerlei fragwürdigen Flüssigkeiten zu füllen.

Bei der zweiten Mannschaft, die sich vor der Haustür versammelte, war ich etwas jovialer*. Nach deren üblichen Drohung - es grenzte beinahe an Erpressung - verteilte ich, großzügig wie ich bin, vegane Eukalyptus-Hustenbonbons. Die Gesichtsausdrücke der Kinder waren (im Gegensatz zu den ausgegebenen Süßigkeiten) köstlich.

Etwas erschöpft von der Gesamtsituation, dachte ich über die Halloween-Feste in längst vergangenen Zeiten nach. Damals, als ich mit einer mindestens 30 Jahre alten Zauberermaske und schwarzem Gewand, das sich später als Unterrock entpuppte, auch durchs Dunkel zog. Wie grauenhaft diese Abende doch immer waren. Begleitet wurde ich von Kindern und Jugendlichen aus der Nachbarschaft - besser gesagt begleitete ich sie. Dunkel entsinne ich mich daran, dass ich eines dieser verkleideten Kinder für einen echten Geist hielt und einen gewissen Sicherheitsabstand an den Tag lag. Um neun Uhr sollte ich mich von der Gruppe lösen und nach Hause kommen. Von den erwirtschafteten Süßigkeiten, die gerecht unter allen aufgeteilt werden sollten, erhielt ich keine einzige. Frustrierend war das zweifellos. Vielleicht habe ich deswegen unterbewusst diese Abneigung gegenüber Halloween und dessen Anhänger.

Durch das dritte und somit letzte Klingeln wurde ich aus diesen nostalgischen Gedanken gerissen. Eine Einzelperson hatte es ausgelöst. Ich stand erneut, hinsichtlich der Uhrzeit müde und genervt, im Türsturz. Als mich der Junge im provisorischen Piratenkostüm zu allem Überflusse durch wildes Schreien in Tonhöhen, auf die ein Junge nicht stolz sein sollte, zu erschrecken versuchte, schloss ich die Haustür vor seiner Nase und legte mich ins Bett. Das war einfach zu viel.

Wie ihr diesen (teils fiktiven) Blogeintrag empfandet, könnt ihr mir gerne im Gästebuch mitteilen. Grundsätzlich sind meine Anekdoten immer real und mehr oder weniger exakt so geschehen. Künstlerische Freiheiten behalte ich mir vor. Bei diesem Kurzbeitrag handelt es sich daher um eine Ausnahme. Am Ende der Woche geht es gewohnt mit dem nächsten Beitrag weiter.

Bis dahin:

Auf baldiges Wiedersehen

S. Klein

* jovial = gnädig

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