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Die wunderschöne Weihnachtszeit

In diesem Beitrag berichte ich von meinem Besuch eines lokalen Weihnachtsmarktes und den ersten besinnlichen Abend der Adventszeit für mich. Kommentare und Anregungen für weitere Beiträge werden im Gästebuch gerne aufgenommen.

Erster Advent: Draußen wurde es immer dunkler, die ersten Lichterketten an den Häusern schalteten sich an, der Wind spielte mit den Baumkronen, die sich hin- und herbogen. Ich saß vor dem Fenster mit Blick in die Ferne. Es regnete. Nur leicht, aber dennoch so stark, dass man ihn mit bloßem Auge durch die nebelige Landschaft erkennen konnte. Heute sollte der alljährliche Weihnachtsmarkt im Dorf stattfinden. Heute sollten wieder Adventskränze, Vogelhäuschen und andere Dekorationsartikel an kleinen Bretterbuden verkauft werden. Heute sollten erneut alkoholisierte Menschen herzhaft in Fett- und Zuckerhaltiges beißen und Kinder spielend herumlaufen oder den Schmuck des mächtigen Weihnachtsbaumes demolieren. Welch eine Harmonie!

Ich stand auf. Trotz meines Missmutes hatte ich beschlossen, mich ebenfalls zum Markt zu begeben. Ich wollte mich nach längerer Zeit noch einmal von diesem wenig charmanten Chaos, dieser scheinbaren Besinnlichkeit, kurz diesem Ungemütlichen überzeugen. Das Wetter tat sein Bestes, das Beschriebene zu untermalen. Aber die meisten Menschen vergaßen ohnehin schon nach den ersten Schlucken Glühwein ganz bewusst oder unterschwellig, wie armselig diese Märkte doch sind.

Ich zog mir Schuhe an, warf mich in meinen Anorak, verstaute ein Schlüsselbund in der Tasche und öffnete die Tür. Der Wind blies mir ins Gesicht und bildete sofort kleine Tropfen auf meiner Brille. Meine Frisur war in Sekundenschnelle - um nicht zu sagen in Windeseile - zerstört. Durch die frostigen Lüfte tönte lautstark das Lied „Halleluja“. Ich erschauderte zunächst, schaute mich dann um. Nirgendwo konnte ich die Quelle dieser Töne finden: weder bei den Nachbarn, noch auf den Straßen oder gar in unserem Haus. Ich ging einige Schritte nach vorne. All das wirkte so unwirklich, als spiele es in einem Film. War es eventuell ein Streich mit versteckter Kamera? Sollte ich eine überirdische Botschaft erhalten? Schnell verwarf ich diese irrationalen Ideen und suchte nach einer nachweisbaren Erklärung - vergebens. Nach geschätzt fünf Minuten brach ich schließlich auf. Dieses Erlebnis beschäftigte mich noch den gesamten Tag. Die Musik war längst erloschen.

Ich ging durch die beleuchteten Straßen und Gassen. Bei jedem Ausatmen vernebelte sich die Sicht intensiver. Eine seltsame Stille machte sich breit. Es fühlte sich an, als sei ich die einzige Person, die momentan auf dem Weg zum Weihnachtsmarkt war, als sei ich der einzige Mensch im ganzen Dorf. Es regnete noch immer, doch um immerhin kurz in eine vorweihnachtliche Stimmung zu verfallen, bildete ich mir ein, dass es Schnee sei, der sich auf meine Haare, das Gesicht und die Kleidung niederlegte. Ich stellte mir vor, wie er unter den Sohlen meiner Schuhe knirschte, wie er im Schein der Straßenlaterne glitzerte, wenn man den Kopf bewegte, wie er eine weiße Schicht auf allen Oberflächen zauberte. Je näher ich dem Marktplatz kam, desto rasanter nahm die Geräuschskulisse wieder zu. Nur noch wenige Minuten, da hatte ich den Weihnachtsmarkt erreicht. Zahlreiche Kinder bemannten gerade ein Karussell, das langsam die nächste Fahrt einleitete, der imposante Weihnachtsbaum glänzte und funkelte behaglich durch Lichter und silberfarbene Dekoration, überall waren Menschen zu sehen, die sich unterhielten, lachten oder sich gemeinsam an einer Feuerstelle die frostigen Hände wärmten. Das ganze Dorf stand auf den Beinen, drückte sich in Massen um die Buden und Stände. Überall hingen Lichterketten, Tannenzweige und Christbaumkugeln, die die Umgebung feierlich schmückten. Es war ein wunderschöner Anblick.

Seit langer Zeit war es wieder das erste Mal, dass ich den Weihnachtsmarkt besuchte. In den letzten Jahren hatte ich ein vollkommen falsches Bild in meinen Erinnerungen gehegt. Ich mischte mich unter die Menschenmenge, die Hände tief in den Taschen, in denen sich nur der Schlüsselbund und elf D-Mark befanden. Ich versteckte meine Hände nicht nur, weil es kalt war. Auch, um nicht weiter Aufsehen zu erregen, war diese Maßnahme sinnvoll. Hielte ich die Schlüssel und sechs Münzen nicht fest, klimperten sie bei jedem Schritt und Tritt in den Taschen. Ebendies galt zu vermeiden.

Plötzlich ertönten die ersten Töne eines bekannten Weihnachtsliedes auf dem Platz. Die Ursache dafür konnte ich schnell ausmachen. Ob die Lautsprecher, die die Laute entsendeten, auch für das Ereignis an der Haustür verantwortlich waren? Allzu laut wurde das Lied nicht gespielt, an unserem Haus hätte man es wahrscheinlich nicht hören können; zumindest nicht in der Lautstärke des „Hallelujas“.

Trotz der klirrenden Kälte breitete sich mit der Zeit wohlige Wärme in meinem Umfeld aus, was nicht nur der Verdienst der aufgestellten Wärmeschirmen war. Es lag eine gewisse weihnachtliche Stimmung in der Luft, die diese unheimliche Besinnlichkeit und Geborgenheit ausstrahlte. Ich ging in mehreren Runden an den Ständen vorbei. Erwerben wollte ich nichts, schließlich nähmen die Verkäufer garantiert keine Währung aus längst vergangenen Zeiten an. Es war vielmehr diese positive Ausstrahlung, die mich an den Ort fesselte. Die Menschen unternahmen etwas zusammen, erlebten den Abend nicht neben-, sondern miteinander, waren wieder eine große Gemeinschaft. Eine große Gemeinschaft, die ich schweigend und in mich gekehrt betrachtete - die letztlich nur ein Außenstehender so wahrnehmen kann. Welch wunderschöne Weihnachtszeit!

Somit gelangen wir erneut ans Ende der heutigen Anekdote. In der nächsten Woche werden wahrscheinlich mehrere vorweihnachtliche (Kurz-)Beiträge veröffentlicht. Ansonsten erwartet euch ausnahmsweise in zwei Tagen, am 6. Dezember, eine kleine Nikolausüberraschung auf diesem Blog.

Bis dahin:

Auf baldiges Wiedersehen

S. Klein

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