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Die konfuse Klassenfahrt (Teil 1)

Es mag utopisch und unvorstellbar klingen, dennoch ist es wahr: Vor zwei Wochen fuhr ich (notgedrungenermaßen) mit meiner Schulklasse auf Klassenfahrt. Ob ich die vier Besinnungstage ohne langfristige psychische Schäden überstanden habe, lest ihr in der folgenden Teilanekdote.

Dienstags um acht Uhr morgens begann das Übel. Um mich herum 28 Gleichaltrige, die vollkommen entnervt auf den Reisebus warteten. Über mir vereinzelte Schneeflocken, die vom Himmel herab herbe Stiche auf meinen nackten Unterarmen hinterließen. Schöner konnte die (größtenteils) lang ersehnte Klassenfahrt nicht starten. Im Nachhinein war es keine optimale Idee gewesen, die wärmende Jacke schon tief im Koffer verstaut zu haben und mit T-Shirt an der Haltestelle zu warten. Trotz der Kälte und unheimlich unangebrachter Kommentare seitens fremder Elternteile blieb ich standhaft. Wer hätte schon mit einer viertelstündigen Verspätung des Busses gerechnet?

Der Niederschlag intensivierte sich, der Wind setzte ein. Menschen mit Hang zu Hyperbeln beschrieben das Klima sicherlich als Ausbruch einer ungeahnten Eiszeit. Ich nennte es wahrscheinlich verspäteter Winter.

Da stand ich nun: auf dem Bürgersteigrand, sah in all die verhassten Gesichter der Personen, die ich zwar peinlich intim kannte, ebendas aber jeden Tag bereute, und fröstelte. Da stand ich nun, beobachtete, wie die Mitschüler kontinuierlich die Bildschirme ihrer Mobiltelefone mit dem Jackenärmel von Wassertropfen befreiten, dachte mir erste Phrasen für den geplanten Blogeintrag aus und war in einer gewissen Weise glücklich, dass der Tag so denkbar schlecht begonnen hatte. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass sich dieser Zustand in „sehr schlecht“ und schließlich in „schauderhaft„“ wandeln sollte.

Als der Reisebus endlich nach Minuten der Qual anfuhr und durch sein Bremsen halb getauten Schneematsch auf meinen Koffer spritzte, steigerte sich die Laune aller ein wenig. Endlich ging es los! Taschen und anderweitige Gepäckstücke wurden vom Busfahrer im Rumpf des Fahrzeugs verstaut, die ersten Plätze von Schülern im Inneren belegt und reserviert. Ich ergatterte den besten Platz: jenen direkt hinter der hinteren Tür. So trennten mich die Stufen zur Tür und die Bordtoilette von der nächst vorderen Sitzreihe, womit gewährleistet wurde, dass meine Knie nicht durch das Zurücklehnen der Sitze in Mitleidenschaft gezogen werden konnten. Nachdem jeder einen Platz gefunden hatte und die Anwesenheit aller überprüft worden war, begann die einstündige Fahrt zur Jugendherberge. Allein schon die Tatsache, dass ebendort nur Etagentoiletten und Gruppenduschen zur Verfügnung standen, machte den viertägigen Aufenthalt schon lange vor der Ankunft unattraktiv.

Um mich von dem bevorstehenden Grauen abzulenken, schaute ich mir die vorbeirauschende Landschaft am Fenster an. Die anderen spielten mit Konsolen oder verzehrten eine Auswahl an mitgenommenen Süß- und Salzigkeiten.

Nach einiger Zeit erreichten wir unsere Unterkunft. Schon auf dem ersten Blick sah man, dass der Komplex stark christlich geprägt war. Ein Kloster, einen Glockenturm, eine Kapelle und einen Friedhof konnte man beim Anfahren in der Umgebung erblicken. Zudem zierte eine Fülle an Fahnen und Plakaten über Gott und die Welt Pfähle und Wände.

Der Bus verlangsamte und blieb schließlich an einer geeigneten Stelle stehen. Wir stiegen aus, suchten unser Gepäck und näherten uns in geschlossener Formation dem Eingang. Die Besinnungstage konnten starten, wobei ich mir ziemlich sicher war, dass ich bereits ausreichend besonnen war. An der Eingangstür wurden wir pseudo-freundlich in Empfang genommen. Nachdem wir unsere Koffer, Taschen und Rucksäcke abgestellt hatten, wurde zunächst eine Hausführung veranstaltet. Besichtigt wurden der Speisesaal, die „Oase“, die alkoholfreie Bar, der „Raum der Stille“, die Aula, die Gruppenräume und die beiden Kuschelecken (die zu allem Überflusse auch noch „Romeo“ und „Julia“ hießen und insgeheim wohl mit Kissen ausgestattete Besenkammern waren). Danach ging es zur Zimmerverteilung. Da keine Einzelzimmer belegt werden konnten, schloss ich mich mit drei anderen Menschen zusammen. Vorerst wurden wir ins Zimmer „Sidney“ eingeteilt: Ein schöner großer Raum mit fünf seperaten Betten, einem großen Fenster mit schöner Aussicht, einem Schrank und einer Nasszelle bestehend aus einem Waschbecken. Ich fühlte mich wohl. Während wir begannen, uns einzurichten, nahm das Verderben seinen Lauf. Ein Aufsicht führender Lehrer kam zu uns und verkündete, es läge ein Irrtum in der Belegung vor und wir sollten uns unverzüglich aus „Sidney“ entfernen. Die damit verbundene Suche nach einem freien Vier-Bett-Zimmer gestaltete sich jedoch schwieriger als gedacht. Schließlich wurden wir zum Zimmer „London“ geführt, welches einrichtungstechnisch nur bei der Anzahl der Betten nicht mit „Sidney“ mithalten konnte. Auch aus diesem Raum wurden wir - in diesem Fall von einer Truppe hysterischer Mädchen - vertrieben. Nach einer weiteren Pilgerreise durch den gesamten Komplex kamen wir schlussendlich bei unserer endgültigen Bleibe an: Zimmer „Oslo“. Ich möchte in keiner Weise das Land Norwegen diskriminieren, aber diese Unterkunft war schlicht schauderhaft. Durch das geöffnete Fenster drangen allerlei unwohle Gerüche aus der Küche, einige Querbalken des Schranks waren lose oder stark demoliert, der Stand der Betten war kein fester. Am grauenvollsten war in diesem Raum jedoch zweifelsohne das Hochbett. Und zu allem Übel war ich derjenige, der in ebendem nächtigen sollte. Wegen meiner panischen Angstzustände beim Schlafen in solchen Betten protestierte ich. Nach langwierigen Diskussionen und dank meiner überzeugenden Redekunst wurde das Problem geklärt, sodass ich schließlich das Einzelbett neben dem Fenster bezog.

Und somit gelangen wir wieder ans Ende dieses Eintrags. Kommentare und Bewertungen werden im Gästebuch immer gerne gelesen. Wie die Geschichte fortfährt, erfahrt ihr am 22. März im zweiten Teil der Klassenfahrt-Dilogie. Einige Tage zuvor, am 14. März, rede ich zudem in einem Nachrichtenbeitrag über Änderungen und die Zukunft meines Blogs.

Bis dahin:

Auf baldiges Wiedersehen!

S. Klein

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