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Das Fotogen

Es bedarf nur weniger Adjektive, um das folgende Thema einzuleiten: grässlich, unästhetisch und Übelkeit erregend. Spätestens wenn der kreative Titel des Beitrags ins Auge fällt, errät man sogleich: Dieser Beitrag handelt von Momentaufnahmen. Von Momentaufnahmen meiner Person.

Es gibt exakt zwei Tage im Jahr, die ich unbändig hasse, bis auf die Knochen verachte und seit Jahrfünften verfluche: Einerseits meinen Geburtstag, andererseits den Fototag in der Schule. Letzteren thematisierte ich gerne.

Wie die Veranstaltung abläuft, ist grundsätzlich ebenso simpel wie unangenehm. Zwangsweise müssen wir Schüler uns vor eine beleuchtete, blaue Leinwand setzen und möglichst freundlich in die Kameralinse des Fotografs schauen. Das eigentliche Aufnehmen der Bilder ist dann binnen weniger Sekunden erledigt. Nur bei mir werden mehrere Minuten eingeplant. Der Fotografierende fragt verschiedentlich, ob ich denn nicht lachen, den Kopf etwas senken oder mich entspannter auf den Stuhl setzen könne. Ich tue mein Bestes, dies gekonnt zu ignorieren. Da sich der ältere Mann nach etwa ein Dutzend vergeblichen Versuchen, mich vorteilhaft abzulichten, stets am Rande einer Verzweiflung befindet, versuche ich schließlich, seinen Anweisungen ein wenig Folge zu leisten. Das Resultat ist meist ernüchternd. In irgendeiner Weise sieht dieses eine verdammte aufgenommene Bild, das zu allem Überflusse auch noch per Schülerausweis und Jahrbuch veröffentlicht wird, stets schauderhaft aus. Entweder halte ich meinen Kopf in einem solch ungünstigen Winkel, dass es den Anschein erweckt, er sei enorm verformt, oder mein Versuch eines Lächelns ist erneut derart missglückt, dass man meinen könnte, meine Mundwinkel befänden sich in einer temporären Lähmung. Außerdem werden diese Fotos auf dem Ausweis und im Jahrbuch seit einiger Zeit retuschiert, was ich als harsche Beleidigung ansehe. Ich bin eben nicht perfekt, makellos oder fehlerfrei. Und das soll dem Betrachter der Bilder auch möglichst nie vorkommen. Der Grund jedoch für die immense Unästhetik meiner Schulfotos ist mir schleierhaft. Ich bin wohl einfach nicht fotogen.

Auf baldiges Wiedersehen

S. Klein

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