top of page

Das bin ich

EPISODE 6 Originaltext

Schon seit längerer Zeit fragte ich mich, ob ich meinen eigentlichen (konfusen, aber dennoch rationalen) Charakter Lesern dieses Blogs intensiv genug vermittle. Mir wurde bewusst, dass ich in den letzten Einträgen ausschließlich von meinen Erlebnissen berichtete, was mich als Person ausmacht, blieb verschwiegen. Ebendem möchte ich mich nun in diesem gesamten Blogbeitrag widmen: Das bin ich.

© Sebo Klein, 2015/2017

Beginnen möchte ich mit dem ersten Tag meines diesjährigen Sommerurlaubs auf Rügen. Das Wetter war fantastisch, die Sonne schien, ein kühler Luftzug säuselte umher. Für meine Verhältnisse waren es schon einige Grade zu heiß. Aber das war nichts Besonderes. Allein schon der Inhalt meines Kleiderschranks (ausschließlich blaue, graue und weiße T-Shirts und Jeanshosen) zeugt von einer gewissen Empfindlichkeit auf Wärme. Auch im Winter wechselt dieses Sortiment nicht. Aber ich schweife ab ...

Meine Familie beschloss an diesem Tag, den Strand zu besuchen. Wir mieteten einen Strandkorb und begaben uns auf die Suche nach ebendiesem. Schon dabei erhaschten mich zahlreiche kritische Blicke der Badegäste. Übel konnte ich es ihnen nicht nehmen, war ich doch der einzige, der mit T-Shirt, langer Hose und Schuhen durch den Sand stiefelte. Ich wollte nicht schwimmen gehen. Ich wollte eigentlich nie schwimmen gehen. Ich kam, um mich zu entspannen und in einem neuen Buch zu blättern. Während wir über den Strand marschierten, dachte ich daran, dass alle diese Sandkörner, über die wir gingen, einst große Steine gewesen sein mussten. Steine, die ich wahrscheinlich nur mit Mühe und Not hätte erklimmen können. Nun waren sie so winzig klein, wurden getreten, wurden in Burgen und Skulpturen verbaut. Ich weiß nicht, warum ich das dachte. Vermutlich hätte es mir nur ein gewisser Adrian Monk gleichgetan.

Als wir den Korb erreicht hatten, drehte ich ihn entgegengesetzt zur Sonneneinstrahlung. Ich wollte im Schatten lesen. Noch nie färbte ein Sonnenbrand meinen Körper. Und das sollte, wenn irgendwie einrichtbar, auch so bleiben. Ich lege allgemein viel Wert auf Gesundheit.

Mein Kopf und dessen Unversehrtheit ist mir dabei das wichtigste. Bei der kleinsten Verletzung sorge ich mich schon über Auswirkungen auf meinen Intellekt. Verzweifelt zähle ich dann immer bildungssprachliche oder stilistisch schöne Wörter auf, um den Zustand meines Gehirns zu überprüfen. Als ich vor mehreren Jahren einer Gehirnerschütterung unterlag, weil ich törichterweise aus einem fahrenden Kleinbus gefallen bin, war ich am Ende meiner Nerven. Die Tatsache, dass ich mich an zehn Minuten meines Lebens nicht mehr erinnern konnte, empfand ich als unerträglich. Ja, ich lerne schnell.

Was wäre ich ohne meine Gedanken? Alle meine Fähigkeiten beruhen auf dem Gehirn. In haptischer Arbeit bin ich äußerst unbegabt. Vielleicht liegt es mir deswegen so am Herzen – rein symbolisch betrachtet. Und trotz alledem spielt mir mein Verstand gelegentlich Streiche – hauptsächlich durch Irrationalismus. Ein Fall davon ist z. B. die Angst vor Fahrkartenkontrolleuren. Begründet hingegen ist die Furcht vor Zügen und Flugzeugen und allgemein vor gigantischen Gegenständen. Das Seltsame daran: Diese Zustände ändern sich unaufhaltsam. Noch vor einiger Zeit ängstigte ich mich vor Höhe und schlafenden Menschen. Davon ist momentan keine Spur – und der Grund dafür ist mir unbekannt.

Meine Zwänge hingegen bleiben seit Jahren konstant: das Melden eines grammatikalischen Fehlers, das Sortieren diverser Gegenstände, das kontinuierliche Analysieren meiner Mitmenschen, das Veröffentlichen meiner Arbeiten an einem geraden Tagesdatum. Und so sehr es in manchen Situationen auch stören mag, abschalten kann ich es nicht.

Das wirkt sich auch auf meine Mitmenschen aus. Die Frage nach Freunden in meinem Leben ist in der Tat eine interessante und diffizile zugleich. Selbstverständlich gibt es in meinem Umfeld Personen, mit denen ich Kooperation betreibe. Ich tue mich jedoch unheimlich schwer daran, sie als „Freunde“ zu deklarieren – und ich weiß nicht, ob sie mich auch so bezeichneten. Ich rede gewöhnlich von einer kollegialen Beziehung. Was wahre Freundschaft ist, weiß ich nicht.

Die meisten Mitmenschen sind zunächst von mir abgeschreckt. Sie kennen mich nicht, denken sich die abstrusesten Dinge aus. Lernen sie mich näher kennen (z. B. durch diesen Blog), merken sie, welchem Irrglauben sie da unterlagen.

Es lässt sich festhalten, dass ich mit diesem allgemeinen Alleinsein kein Problem habe. Ich bin gerne mit Menschen zusammen, die mich schätzen und mit mir auskommen, die sich soweit angepasst haben, dass gepflegte Konversationen zustande kommen können. Aber auch die Zeit, die ich alleine zuhause verbringe, genieße ich. Ja, das bin ich, ein rationaler Konfuser. Ein Etwas, vermeintlich frei von jedweden Gefühlen, jemand, der sich der Fachlichkeit verschrieben hat, von der Gesellschaft schief angeguckt wird, letztlich jemand, der Mitmenschen durch einen Blog über sich aufklären muss.

Somit gelangen wir wieder ans Ende dieses Beitrags. Auf zahlreiche Punkte meines Charakters konnte ich noch immer nicht eingehen. All das in einem Eintrag zu behandeln, ist auch kaum möglich. Weitere Informationen zu mir und meiner Art findet ihr bei „Über mich“ und für alle Rechner-Nutzer in der rechten Spalte auf der Hauptseite. Themen wie „Warum ich kein Smartphone habe“ und „Weswegen ich Veganer bin“ werde ich zukünftig in gesonderten Beiträgen ausführen. Für speziellere Fragen und Rückmeldungen bietet sich das Gästebuch an. Ansonsten erwartet euch in wenigen Tagen ein neuer Kurzbeitrag zum Thema „Halloween“.

Bis dahin:

Auf baldiges Wiedersehen

S. Klein

Eigenkommentar (2018):

Mit diesem Beitrag war der Autor bereits bei Veröffentlichung im Jahre 2015 höchst unzufrieden. A posteriori kann es kaum als Zufall gewertet werden, dass ausgerechnet dieser Text der sechste der 24-teiligen Reihe ist.

bottom of page